Liebe Leserinnen und Leser,

Vater, Mutter, Kind(er) – das war von Kindesbeinen an mein Begriff von Familie. Doch auch dieser Begriff unterliegt, wie vieles einem Wandel.  Schauen wir doch mal auf Wikipedia, dann wird es schon komplexer:

„Familie (von lateinisch famulus „Diener“ bezeichnet soziologisch eine durch Partnerschaft, Heirat, Lebenspartnerschaft, Adoption oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, im westlichen Kulturraum meist aus Eltern oder Erziehungsberechtigten sowie Kindern bestehend, gelegentlich durch weitere, mitunter auch im selben Haushalt lebende Verwandte oder Lebensgefährten erweitert.“

Ursprünglich gab es die Großfamilie, bestehend aus Vater, Mutter, Kindern, Großeltern, Verwandtschaft und Dienstpersonal. Über die Jahrhunderte hinweg schrumpfte die Familie. Ist die Konstellation Vater-Mutter-Kind nur mehr eine Fiktion?

In der Zeitung „Die Zeit“ erschien dazu am 15.10.2015 ein Artikel („Soll das eine Familie sein?“), die das Spektrum an Möglichkeiten aufzeigt, was heute eine Familie sein kann:

Wolfgang, der 30 Jahre lange katholischer Priester war, bevor er sich für das Leben mit seinem Mann Peter entschied und zum evangelischen Pfarrer wurde;
Susanne, die die Aufteilung der Kinder wochenweise mit dem von ihr  getrennten (Ex)-Partner  als „unordentliches Theater“ beschreibt und über das Alleinerziehen schreibt, das oft  „das Ende einer zermürbenden Auflösung aller einstigen Hoffnungen, Sehnsüchte, Gefühle“ bedeutet;
Evelyn, die ohne Kinder mit ihrem Liebsten lebt. Ist das eine Familie?
Sabine hat vor 23 Jahren eine Wohngemeinschaft gegründet. Ihr Wohnpartner von damals hat geheiratet, Sabine auch; in Summe haben sie drei Kinder und Sabines Schwester und ihr Patenkind leben auch dort. Sind diese 9 Personen eine Familie?
Und da hätten wir auch noch die „Regenbogenfamilie“: Zwei Väter, zwei Mütter und zwei Kinder. Andreas hat mit Elisabeth zwei Kinder. Heute leben Andreas mit Werner und Elisabeth mit Julia zusammen. Die Kinder sind jedes zweite Wochenende bei ihrem leiblichen Vater und Bonuspapa; die übrige Zeit verbringen sie mit ihrer leiblichen Mutter und Bonusmama.
Ehen sind heute häufig zu Lebensabschnittspartnerschaften geworden, die sequentiell aufeinander folgen. Ehe ist nicht mehr lebenslang und nicht mehr unbedingt auf zwei Beteiligte beschränkt. In Nordamerika wird diskutiert, ob Ehe ein Bund aus nur zwei Menschen bleiben soll. Warum nicht zwischen einem Mann und mehreren Frauen oder einer Frau und mehreren Männern?

Es hat sich in diesem Zusammenhang auch viel im Adoptionsrecht getan.  Ursprünglich konnte nur ein Ehepaar ein Kind adoptieren. Heute gibt es die Unterscheidung zwischen Fremd- und Stiefkindadoption. Letzteres ist auch in Lebensgemeinschaften und eingetragenen Partnerschaften möglich.  Und war da nicht Gabriele Pauli, die Landrätin aus Fürth / Bayern, die vorschlug, dass Ehen alle 7 Jahre auf den Prüfstand sollen, so eine Art „Ehe-TÜV“?

Sind Sie jetzt ratlos und wissen nicht, was Familie ist?

Das verbindende Element ist wohl, dass alle Konstellationen auszeichnet, dass es  Menschen gibt, die aus eigener Entscheidung oder aus Gründen der Abstammung miteinander verbunden sind – als Partner, als Eltern, als Kinder. Vielleicht ist ja Familie dort, wo „Liebe“ oder zumindest „Zusammenhalt“ ist?

Was auch immer Familie für Sie ist, für andere kann es etwas ganz anderes sein und wir tun gut daran, offen zu sein für das, was Familie sein und vor allem, was sie den verbundenen Menschen geben kann.

Nun lade ich Sie ein zu überlegen, wer zu Ihrer Familie gehört: vielleicht ist es die Nachbarin aus dem 2. Stock oder die Großmutter ihrer besten Freundin oder auch die Freundin ihres Neffen. Hauptsache, Sie fühlen sich dabei gut.

Mit familienfreundlichen Grüßen

Natascha Freund

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