Liebe Leserinnen und Leser,
kennen Sie das…
- eine spaßige Bemerkung, eine Bemerkung lässt Sie tagelang grübeln…
- bei der Heimfahrt nach der Arbeit drehen Sie das Radio ab, weil es einfach zu viel ist…
- überfüllte Einkaufszentren meiden Sie, weil es dort einfach zu lebhaft, laut und voll ist…
- ein berührender Film rührt Sie zu Tränen…
- manchmal haben Sie das Gefühl, zu wissen, was der andere denkt…
Die Psychologin Elaine N. Aron fand heraus, dass manche Menschen feinfühliger sind als andere. Diese Eigenschaft wird als „hochsensibel“ bezeichnet.
Hochsensibilität ist eine angeborene Eigenschaft. Es ist die Besonderheit der Reizverarbeitung. Das ist übrigens keine neue Entdeckung. Hochsensible haben „Antennen“, sind ständig „on air“, daher bemerken sie Dinge auch früher als andere, hören auf Frequenzen, die andere nicht bemerken. Unsere dünnhäutigen Vorfahren erkannten Gefahren schon früher und konnten somit die anderen warnen und damit mitunter retten. Heute erkennen sie schwelende Konflikte im Team womöglich schon als erster.
Die Hirnforschung bestätigt, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Gehirnen von Hochsensiblen und anderen Menschen gibt. Jene Regionen, die mit Aufmerksamkeit und der Verarbeitung von Sinnesdaten zu tun haben, reagieren bei hochsensiblen Menschen sehr aktiv auf jede Art von Stimulierung.
Die österreichischen Forscher Christina Blach und Josef W. Egger haben untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen Ängstlichkeit, Depression und Stressreaktivität besteht. Gerade in Bezug auf die Ängstlichkeit wurde hier ein Zusammenhang gefunden. Je höher die Ängstlichkeitswerte sind, desto stärker ist die Hochsensibilität ausgeprägt.
Hochsensible Persönlichkeiten sind keine homogene Gruppe, sondern jede/r ist individuell unterschiedlich, weil die Sinne jeweils unterschiedlich ausgeprägt sind. Hinzu kommen vorhandene Anlagen und Eigenschaften, aber auch getätigte Erfahrungen.
Hochsensibilität hat nicht nur einen Nutzen für Sie persönlich, sondern kann auch ein guter Beitrag für die Gemeinschaft sein.
Zugegeben, es ist anstrengend immer „aktiv“ zu sein, daher ist es wichtig, dass sich hochsensible Menschen ihre Freiräume schaffen und sich auch Werkzeuge zurecht legen, wie sie gut durch den Alltag kommen:
In erster Linie ist Abgrenzung sehr wichtig. Wenn Sie sich angegriffen fühlen, fragen Sie sich, ob es hier wirklich um Sie als Person geht. Nicht jedes Problem, das Sie wahrnehmen ist auch wirklich „Ihr“ Problem.
- Ändern Sie den Blickwinkel: Der andere hat womöglich nur einen schlechten Tag.
- Achten Sie darauf, dass Sie sich regelmäßig eine Auszeit nehmen, sich vom Alltagstrubel zurückziehen können. Hilfreich können dabei auch Mediationen sein.
- Wenn stressige Situationen unausweichlich sind, legen Sie sich virtuell eine Rüstung an oder setzen Sie sich unter eine dicke Käseglocke
Für Hochsensible bedeutet ihre erhöhte Wachsamkeit aber auch enormen Stress. Hinzu kommt, dass die permanente Erfahrung des „anders sein“ das Selbstwertgefühl schwächen kann. Hochsensibilität kann aber auch als Gabe angesehen werden…
Unterschätze dich nicht selbst, indem du dich mit anderen vergleichst. Es sind unsere Unterschiede, die uns einzigartig machen.
Mit sensiblen Grüßen
Natascha Freund
Quelle: Psychologie heute, September 2015