Letztens las ich einen Artikel mit „10 Regeln für eine halbwegs vernünftige Trennung“. Das klang spannend, erwartet sich der Leser hier doch Tipps und Tricks für die Lebensführung in einer schwierigen Situation. Genauer gesagt zu der heiklen Frage: wie sage ich ihm / ihr, dass ich ihn / sie loswerden möchte.
Handlungsempfehlungen waren unter anderem
- Wer eine Trennung will sollte nicht lange warten
- So ehrlich, aber gleichzeitig so wenig verletzend wie möglich sein
- Tränen trocknen und raus da
- Nicht erpressen lassen
- „Freunde bleiben“ – frühestens in sechs Monaten
Liest man diese Tipps, dann denkt man, das sind vielleicht gute Hinweise für eine sicher unangenehme Situation. Dabei kommt es aber immer darauf an, in welcher Position man(n) / frau ist – ist man der/die, der/die geht oder der/die, der/die verlassen wird? Eben genannte Tipps lesen sich aus den verschiedenen Positionen ganz unterschiedlich…
Es fühlt sich nicht gut an, den Schlussstrich zu ziehen, Gemeinsames aufzugeben. Es ist oft schwer, den einst oder noch immer geliebten Menschen damit zu konfrontieren, vielleicht aus allen Wolken zu reißen. Das Ende einer Beziehung ist nicht immer ein Wunsch von beiden Seiten. Wer das Ende verkündet und „geht“ hat sich das oft lange im Voraus überlegt. Den verlassenen Partner hingegen trifft es vielfach spontan. Na ja, bei genauerer Betrachtung hätte man schon etwas merken könne, aber das will man meist nicht wahrhaben.
Wer eine Beziehung eingeht, hat in der Regel nicht vor, sich wieder zu trennen. Denken Sie an die erste Verliebtheitsphase Ihrer Beziehung. Wie lange hat diese gedauert? So wie die Annäherungsphase und rosa Wolken-Phase lange dauert, so lange dauert auch eine Trennung. Schließlich ist jede Trennung der Übergang in eine neue Lebensphase. In dieser Phase muss Vertrautes aufgegeben werden. Was kommt, wissen wir nicht und das verunsichert. Bekannte und bewährte Reaktionsmuster greifen nicht mehr und damit entsteht (emotionaler) Stress. Veränderungen brauchen Zeit. Wir erleben Veränderungen „leichter“, je länger die Vorbereitungszeit darauf ist.
Mit einer Trennung wird der Partner, der mit dieser konfrontiert wird, verletzt. Aber auch der Partner, der die Trennung ausspricht, hat sich das Ende der Beziehung wahrscheinlich so nicht vorgestellt. Trotz alledem… ein paar Hilfestellungen und Ideen:
- Kommunizieren Sie wertschätzend. Sie haben diesen Menschen einmal geliebt (oder tun es sogar noch). Vorwürfe und Du-Botschaften sind fehl am Platz – ebenso wie „Ich bin Schuld“ -Aussagen. Wichtig sind Ihre Kränkungen und Ihre Bedürfnisse.
- Vorsicht vor dem Fahrrad im Keller: überlegen Sie, wie viel Kontakt und Gemeinsamkeit Sie noch wollen. Vermeiden Sie, dass nach einer räumlichen Trennung noch viel Gemeinsames bleibt, z.B. Gegenstände im Haushalt des Anderen, gemeinsame Verpflichtungen organisatorischer oder finanzieller Art. All dies sind Symbole für „Es ist noch nicht vorbei“. Das heißt, teilen Sie alles soweit an materiellen Dingen auf wie nur irgendwie möglich.
- Schwerer ist es mit dem „Fahrrad im Keller“, wenn es gemeinsame Kinder gibt. In vielen Fällen, werden die persönlichen Verletzungen über die Kinder ausgetragen. Denken Sie bitte daran, die Kinder sind in einer Zeit entstanden, in der Sie sich vermutlich sehr geliebt haben. Ihre Kinder haben sowohl Anteile von Ihnen als auch von Ihrem/r Partner/in. Und die Kinder sind nicht als Träger von Botschaften zwischen den Eltern zu missbrauchen.
- In die Welt des anderen gehen: eine „gelungene Trennung“ setzt voraus, dass Sie nicht nur Ihre Bedürfnisse kennen und verfolgen, sondern auch versuchen, die Situation aus der Sicht Ihres Partners zu betrachten. Was brauche ich? Aber auch: was braucht mein Partner? Wie kann ich erklären, was mich verletzt und mich zu dieser Konsequenz bringt? Die Klarheit darüber erleichtert eine gute Trennungs-Kommunikation.
- Vom Symbol zur Ursache: wenn Sie wissen wollen, worum es wirklich geht, dann versuchen Sie gemeinsam hinter die Dinge zu sehen. Warum streiten wir so oft? Warum passen unsere Lebensentwürfe nicht zusammen? Warum ist einer fremdgegangen? All das sind Symbole für unerfüllte Entwicklungsbedürfnisse in der Partnerschaft. In einem Imago-Dialog können Sie von der Symbol, über die Bedürfnis- und Gefühlsebene zur Verbindung kommen und erkennen, worum es wirklich geht und warum es in der Partnerschaft nicht (mehr) geht. Und das können Sie einander mitteilen, Das ist vielleicht aufwändig, aber Sie lernen daraus auch viel für sich und nehmen etwas mit.
- Holen Sie sich professionelle Hilfe: Sie gehen bei Krankheit zum Arzt, Sie lassen sich die Haare und die Nägel machen, Sie sind im Fitness-Studio – überall suchen Sie professionellen Rat für Aspekte Ihres Lebens. Warum soll man das in einer Stresssituation mit langfristigen Konsequenzen für alle Beteiligten sowohl auf der persönlichen als auch auf der finanziellen Ebene nicht auch tun?
Ich schließe diesen Beitrag mit einem Zitat von Oscar Wilde:
Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.