Du bist nicht hart im Nehmen,
du bist beruhigend weich,
dich nicht zu mögen ist nicht leicht,
du bist kein Einzelkämpfer,
du bist so herrlich schwach,
vertrau‘ mir und benutz mich
wozu sind denn schließlich Freunde da?
Wozu sind Freunde da?
(„Freunde“, PUR)
Liebe Leserinnen und Leser,
unlängst habe ich in der Zeitschrift „Der Spiegel“ (Ausgabe 1/2015) einen Artikel gelesen, der Freundschaft als einen dritten Weg bezeichnet, nachdem sich die traditionelle Familie als brüchiges Modell erwiesen hat. Mehr als 50% der geschlossenen Ehen werden heutzutage geschieden. Familienkonstellationen im klassischen Sinn – Vater, Mutter, Kind – erweisen sich als wenig stabil.
Gibt es allgemeingültige Vorgaben, wie Freundschaft zu funktionieren hat? Solche gibt es jedenfalls zu Ehe und Familie; auch gibt es hierzu öffentlich geäußerte Werte. Was hingegen Freundschaft bedeutet und wie diese gelebt wird, bestimmen alleine die Beteiligten und Freundschaften können die unterschiedlichsten Formen aufweisen.
Bei dem Gedanken an Freundschaft, an einen lieb gewonnen Freund oder Freundin, erhellen sich zumeist die Gesichter der Befragten. Mit Freundschaft verbinden wir die Erinnerung an gemeinsam gefeierte Partys, gemeinsam durchgestandene Krisen, Hilfestellung in traurigen Momenten oder jemanden, der / die da ist, wenn man es braucht. Freundschaften entstehen in der Regel im Kontext eines gemeinsamen Erlebens einer Situation oder über einen längeren Zeitraum (zB Schulzeit), in räumlicher Nähe und fußen – zumindest teilweise – auf gemeinsamen Werten.
Die Erwartungen an Freundschaft sind oft aber so hoch, dass sie auf Dauer nur schwer erfüllt werden können. Im Endeffekt ist es im Vergleich zu Familie oder Ehe nicht einfacher und auch nicht belastungsärmer. Baut Freundschaft nicht auf sehr viel Toleranz auf? Ich darf sein, wie ich bin, darf meine Meinung sagen…aber der/die andere auch… Verkraften wir das auch immer oder treten wir den Rückzug an, wenn das Gegenüber nicht so reagiert, wie wir uns das vorstellen? Wie bereit sind Sie, sich voll und ganz auf das Gegenüber einzustellen? Kann man Konflikte in einer Freundschaft ausschließen? Fällt es leichter jemandem die „Freundschaft“ zu kündigen, als sich von Familie oder Liebespartner zu trennen?
Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit. In meiner Kindheit gab es noch sog. Brieffreundschaften. Warten wir heute noch auf einen Brief? Es gibt E-Mail, SMS oder WhatsApp….der Austausch erfolgt in kurzen Worten; mehr Zeit ist nicht vorhanden. Eigentlich ist man oft gedanklich gar nicht dort, wo man sich körperlich aufhält. Was bedeutet das für unser Zusammenleben und was bedeutet es für die Nachhaltigkeit menschlicher Beziehungen?
Der Psychotherapeut Wolfgang Krüger geht davon aus, dass es im Leben drei echte Freundschaften gibt. Haben Sie auch diese Erfahrung gemacht?
Um Freundschaften lebendig zu halten und sie zu „beleben“, darf jeder Beteiligte einen Beitrag leisten. Ebenso wie Liebe nicht selbstverständlich ist, ist auch Freundschaft nicht selbstverständlich. Bei Paaren erlebe ich in der Beratung sehr oft, dass sie nicht bereit sind, sich auf den/die andere(n) einzustellen, die Eigenheiten zu akzeptieren und das zu geben, was der/die andere gerade braucht, auch wenn man selbst etwas ganz anderes benötigt. Warum sollen Menschen dann dazu bereit sein, dies in einer Freundschaft zu leben?
So wie in Beziehungen so wird auch der Widerspruch einer Freundschaft erst sichtbar, wenn es „kritisch“ wird. Es gibt Studien darüber, dass Freundschaften dann auseinandergehen, wenn es einem Teil dauerhaft und ohne Hoffnung auf Besserung schlecht geht, wie z.B. bei der Diagnose einer unheilbaren Krankheit.
Freunde sind aber auch Lebenszeugen. Mit einer zunehmend loser gewordenen Freundschaft verblasst auch die Erinnerung an Geschichten aus dem eigenen Leben.
Zu einer Freundschaft gehören mindestens zwei. Es ist wohl ein ständiges Geben und Nehmen. Ich habe auch festgestellt, dass Freunde gute „Spiegel“ unserer selbst sind. Sollten dies nicht die Menschen sein, die ohne Angst vor Konsequenzen sagen dürfen, was sie wirklich denken? Das kann uns helfen, wenn wir mal wirklich nicht mehr weiterwissen und einfach eine ehrliche Meinung brauchen. Entfremdung ist heute ein Problem in vielen menschlichen Beziehungen, gut gepflegte Freundschaften brauchen Einsatz, sind nicht immer ohne Friktionen, aber sie bleiben nah.
In diesem Sinne schließe ich diesen Newsletterbeitrag mit einem weiteren Zitat von PUR
Wir kosten uns Nerven,
tauschen Ideen und manchmal aus das letzte Hemd,
philosophieren und saufen und werden uns nie mehr fremd
(„Freunde“, PUR)
Herzliche Grüße, Natascha Freund
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