Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie manchmal – vielleicht aus Ihrer Sicht grundlos – traurig sind? Oder warum Ihnen vor gebratener Leber ekelt?

Nun – in solchen Momenten hat eines der fünf Grundgefühle gerade die Steuerung Ihres Gehirns übernommen. Im ersten Fall ist es Kummer, die zum Beispiel eine Erinnerung abruft, die traurig macht oder – im zweiten Beispiel – Ekel, der sich daran erinnert, dass es gar keine gute Erfahrung war, zum ersten Mal Leber zu essen und dies als Kernerinnerung abgespeichert hat.

Sie dürfen sich das so vorstellen: jeden Tag machen Sie zahlreiche Erfahrungen – sowohl alleine, als auch im Austausch mit anderen Menschen. Jede Erfahrung spricht die 5 Grundgefühle an und diese steuern das Gehirn. Dort oben ist eine Kommandozentrale und 5 Gefühle wollen an den Steuerknüppel – am besten gleichzeitig. Und da kann es ganz schön durcheinander gehen.

Die Erfahrungen des Tages speichern wir ab – wir verarbeiten sie. Einige bleiben nur kurz, wiederum andere Erfahrungen, die Sie häufiger machen, wandern in Ihr Langzeitgedächtnis. Einige Erfahrungen verarbeiten Sie hingegen nicht gleich; sie wandern in Ihr Unterbewusstsein.

Erfahrungen machen Sie übrigens seit Ihrer Kindheit und diese Erfahrungen prägen Sie auch noch heute. Haben Sie sich zum Beispiel damals mit 18 Monaten freundlich dem Wau Wau genähert und wurden Sie böse angebellt, dann kann sich das heute noch in einer Angst vor Hunden zeigen. Oder haben Sie damals immer schön gemütlich im Garten bei Oma die Sonne und die Freundlichkeit unserer Mitmenschen genossen, kann auch das für Ihr weiteres Leben prägend sein.

In den ersten 6 Lebensjahren machen wir die Erfahrungen, die die sogenannten Kernerfahrungen bilden und die sich einprägen und auch später unsere „Muster“ ausmachen – so wie jeder einzelne von uns eben „tickt“. Je nachdem, ob Sie damals viel Freude, Wut, Ekel, Angst oder Kummer empfunden haben – es zeigt sich heute in den Situationen, die diese Kernerinnerungen „triggern“. Je besser Sie von Ihrer Umgebung angenommen wurden und Sie „sein durften“, umso selbstsicherer wurden Sie.  Je mehr Unruhe, Angst, Sorge, ev. auch Gewalt in den ersten Jahren prägend waren, umso mehr wird Sie dies auch heute beschäftigen. Das, was Sie als Kind zu viel oder zu wenig bekommen haben, zeigt sich auch heute in Ihrem Leben.

Als Menschen streben wir nach Glück, doch Freude kann nicht immer in der Kommandozentrale stehen. Montags morgens im Stau auf der Autobahn ist eher oft Wut auf der Kommandobrücke und wenn das Flugzeug durch Turbulenzen fliegt, heißt der Kapitän aktuell „Angst“.

Im Laufe der Erfahrungssammlung können positive Erfahrungen zu „Inseln“ werden, eine Ressource, auf die Sie sich verlassen können, zum Beispiel bestimmte Gruppen, wie Familie, Freund, Sport oder auch Werte, wie Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Respekt, etc. Sie bilden eine wichtige Basis, ganz besonders in schwierigen Situationen. Sie schaffen Bindungen, die man immer wieder unter anderem in persönlichen Beziehungen gut beobachten kann. Die Kräfte, die die Mitglieder aneinander binden, überstehen sehr oft auch Streit und Auseinandersetzung, außer die negative Erfahrung ist doch zu groß, dann bricht die „Insel“ weg.

Nach diesem kleinen Ausflug ins Gehirn frage ich Sie: wer steuert heute Ihre Kommandozentrale? Wenn Sie beim Lesen dieser Zeilen lächeln müssen, dann wird es vermutlich Freude sein. Ich empfehle Ihnen den Film „Alles steht Kopf“, der dies sehr anschaulich beschreibt. Sie werden Ihr Gehirn und sich selbst vielleicht danach viel besser verstehen…

Mit vielfältigen Grüßen,

Natascha Freund

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