Autor: Dr.in Nanina Freund, LL.M. (Seite 46 von 48)

Das Navi im Gehirn

Liebe Leserinnen und Leser,

Sie wissen bestimmt, dass ich immer wieder ganz gerne ein paar Erkenntnisse aus der Hirnforschung bei meiner Arbeit einfließen lasse. Sie hilft uns, unser Verhalten zu verstehen und zu erklären. Deshalb befasst sich der November-Newsletter auch mit diesem Thema und er wurde von meinem Mann sozusagen als „Gastautor“ verfasst.

 Das Navi im Gehirn

Norwegen ist ein kleines Land und da ich aus so einem kleinen Land stamme, freue ich mich natürlich besonders, wenn meine Landsleute etwas Besonderes leisten. In diesem Fall ist es die Zuerkennung des Nobelpreises für Medizin, der zur Hälfte an John O’Keefe aus London und zur anderen Hälfte an die norwegischen Hirnforscher May-Britt und Edvard Moser aus Trondheim geht. Sie werden dafür ausgezeichnet, dass sie Zellen entdeckt haben, die in unserem Gehirn das Positionierungssystem (also in Kurzform: das Navigationsgerät) bilden.

Die Forscher haben das Orientierungssystem im Gehirn erforscht und einen speziellen Typus von Nervenzellen im sogenannten Hippocampus gefunden. Die entsprechenden Tests wurden anhand der Gehirne von Ratten durchgeführt.

Wozu hilft uns nun dieses Navigationssystem im Gehirn? Die Antwort darauf lässt sich geben, wenn man sich die Umkehrung verdeutlicht, nämlich, wenn unser Gehirn diese Fähigkeiten verliert. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist die Fähigkeit zur geografischen Orientierung im Straßenverkehr. Forscher haben herausgefunden, dass Taxifahrer in Städten, in denen die Prüfung mit Navigationsgeräten möglich ist, deutlich schlechter ausgeprägte Gehirnlappen haben als Taxifahrer in solchen Städten, die die Prüfung ohne Hilfe von geografischen Navigationsmitteln auf elektronischer Basis durchführen müssen. Mit anderen Worten, wie es Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz“ beschreibt (Seite 29 ff.): „Zwei Jahre später fanden Wissenschaftler heraus, dass Londoner Taxifahrer einen größeren Hippocampus haben als eine im Experiment hinzugezogene Kontrollgruppe.“ Der Grund hierfür ist, dass sich die Taxifahrer in London in ihrer Stadt genau auskennen müssen, weil sie für ihre Prüfung lernen mussten, sich geografisch ohne Hilfe zu orientieren. In vielen anderen Städten auf der Welt, ist dies nicht erforderlich und auch Sie haben vielleicht schon mal die Erfahrung gemacht, dass sie in einer deutschen oder österreichischen größeren Stadt ins Taxi einsteigen, die Adresse angeben und dann vom Fahrer eine Karte in die Hand gedrückt bekommen, um das Ziel zu suchen, wie es mir schon einmal in Hannover passiert ist.

Diese Geschichte ist ein sehr guter Beleg dafür, dass viele Instrumente, die uns heute auf elektronischem Weg im Alltag helfen sollen, uns letztendlich „dümmer“ machen. Dabei geht es nicht nur um elektronische Navigationsgeräte, sondern natürlich um jede Form von Suchen und Finden, die wir uns erleichtern. Vielleicht haben Sie auch schon häufig den Satz gehört „Das steht im Internet“ als „Entschuldigung“ dafür, dass man etwas nicht wissen muss. Natürlich muss man nicht wissen, aber man muss wissen wo man es findet, so sagten es schon die Lehrer in den 1970er-Jahren. Das Lesen von Lexika oder ähnlichen Nachschlagewerken oder das Zurechtfinden darin, ist heute weitaus wesentlich weniger ausgeprägt als in früheren Jahren.

Wir vertrauen heute immer mehr darauf, dass die Elektronik uns aus der Patsche hilft. Wer merkt sich schon noch Telefonnummern, die sich ja leicht einspeichern lassen? Wer kann heute noch wirklich gut eine Autokarte lesen und die richtige Ausfahrt von der Autobahn finden? Wer merkt sich noch die Abfahrts- oder Abflugzeit von Bahn oder Flugzeug? Es gibt viele kleine Hinweise darauf, dass wir unser Gehirn „entlasten“, aber gleichzeitig auch die Verantwortung abgeben. Lagern wir all diese Prozesse aus, sind wir effizient, nutzen aber auch das große Potential unseres Gehirns nicht mehr, das doch mit einem Navi ausgestattet ist. Daher: bleiben Sie aufmerksam und wachsam und lassen Sie sich durch die „elektronischen Helferlein“ wie Suchmaschinen, Kalender, Navigationsgeräte, Erinnerungs-E Mails etc. nicht verwirren, sondern füttern Sie Ihr Gehirn mit Informationen und es wird Ihnen bis ins hohe Alter damit danken, dass Sie fit, vital und vor allem „nachdenklich“ bleiben.

Ich wünsche Ihnen ein entspanntes und für Sie gewinnbringendes Lesevergnügen!

Herzliche Grüße, Natascha Freund

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Zeit los – Leben mit und ohne Zeit

Liebe Leserinnen und Leser,

  • sind Sie manchmal „Zeitlos“ oder
  • gehören Sie auch zu jenen, die „unbedingt in Zukunft Stress vermeiden“ und abbauen wollen und gerne mehr „Zeit für Freunde und Familie“ hätten?

Wenn ja, dann willkommen bei einer Mehrheit von fast 60 % der Bevölkerung. Fällt Ihnen auf, dass Sie diese Ziele kaum verwirklichen können und es Ihnen selten gelingt, „Zeit zu haben“? Es ist schon paradox – wir verwenden immer mehr technische und andere Hilfsmittel, die uns helfen „Zeit zu sparen“ und trotzdem, wir gewinnen keine Zeit, alles wird immer hektischer, kurzatmiger, rastloser. In vielen Industriegesellschaften hat man daher schon den Begriff der „Zeitnot“ eingeführt, der eigentlich aus dem Schachspiel kommt und andeutet, dass man für viele Züge bis zur sogenannten Zeitkontrolle nur noch sehr wenig Zeit auf der Schachuhr zur Verfügung hat.

Das Wort „Zeit“ lässt sich mit so vielen anderen Worten kombinieren: Zeitknappheit, Zeitverlust, Zeitguthaben – all das ist so komplex, dass man schon ein „Zeitmanagement“ benötigt. Wenn Sie Ihre Zeit richtig administrieren, dann können Sie auch Ratgeber dazu lesen, z.B. „Zeit, der Stoff aus dem das Leben ist“ (Stefan Klein) oder „Muße“ (Ulrich Schnabel).

Fastfood, Convenience Food, Verkürzung von Mastzyklen bei Tieren, genmanipulierte Lebensmittel, Social Media, usw. sind alles Maßnahmen, damit wir schneller essen, leben, arbeiten, produzieren können – und dennoch fehlt uns die Zeit.

Der wahre Grund für dieses scheinbare Paradox ist, dass wir uns immer mehr unter „Zeitdruck“ setzen. Alles muss schneller, schneller und noch schneller gehen. Jeden Tag versuchen wir „zu optimieren“ und mit der Verwendung von Hilfsmitteln beschleunigen wir diese Prozesse immer weiter. Aber diese Beschleunigung hilft uns nicht dabei, mehr Zeit zu gewinnen, sondern einfach nur mehr zu erledigen. Der Soziologe Hartmut Rosa schreibt in seinem Buch „Beschleunigung und Entfremdung“ etwas Interessantes zu der Art und Weise wie wir elektronisch und digital kommunizieren: „Zwar lässt sich eine E Mail deutlich schneller schreiben als ein herkömmlicher Brief, aber – so Rosa – ist zu vermuten, dass der Mensch inzwischen 40, 50 oder gar 70 E Mails pro Tag lesen und schreiben kann. Dafür benötigt er aber weitaus mehr Zeit für Kommunikation als vor der Erfindung des Internets.“ Somit beschleunigen wir also die Prozesse um uns herum und auch unser Arbeitspensum.

Nach meiner Auffassung ist es auch so, dass es in einem immer stärkeren Ausmaß durch die Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche gelingt, Informationsverarbeitung zu beschleunigen. Wir können schneller reisen, Daten versenden, Daten analysieren (und unser Kühlschrank kann uns eine SMS senden, wenn die Milch ausgeht und wir welche einkaufen sollen), aber was wir nicht beschleunigen können, ist die Leistung unseres Gehirns in Bezug auf die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen.

Wir haben uns so sehr an die immerwährende Hektik und die rastlose Arbeit gewöhnt, dass Nichtstun für viele Menschen schon zu einem Schreckens-Szenario geworden ist. In einer Versuchsanordnung des Psychologen Timothy Wilson von der Universität Virginia haben Wissenschaftler Probanden aller Altersklassen einzeln in einen Raum gesetzt und sie aufgefordert 6 bis 15 Minuten lang still zu sitzen und ihren Gedanken nachzuhängen. Die Mehrheit reagierte mit deutlichen Anzeichen von Unwohlsein. Daraufhin änderten die Forscher die Versuchsanordnung und gaben den Testpersonen die Möglichkeit sich selbst während der 15-minütigen Ruhezeit einen leichten Elektroschock zu verpassen. Das Ergebnis war sehr verblüffend: zwei Drittel aller Männer und ein Viertel aller Frauen verpassten sich mindestens einmal lieber selbst einen Schlag als einfach stillzusitzen. Ein Mann brachte es sogar auf 190 Elektroschocks.

Das Problem mit der immerwährenden Beschleunigung ist, dass die Eindringtiefe und die intellektuelle Auseinandersetzung mit Themen auf der Strecke bleibt. Es siegt die Oberflächlichkeit, wenn wir immer schneller arbeiten. Abstraktes Denken, Muße um bestimmte Themen wirklich zu durchdringen, werden so immer schlechter möglich.

Erste Gegenbewegungen sind allerdings auch schon im Entstehen. Vereine für Zeitverzögerung zum Beispiel sind bereits verschiedentlich gegründet worden. In einigen Ländern gibt es Bemühungen, auch öffentlich kommuniziert die Prozesse zu entschleunigen. Im norwegischen Fernsehen zum Beispiel gab es die längste (oder langatmigste?) Sendung aller Zeiten, eine 134-stündige Übertragung einer Schiffsfahrt mit der Hurtig-Route von Bergen nach Kirkenes. Es gibt auch bereits eine „nationale Feuerholznacht“ sowie eine Sendung über einen Strick-Abend, die 8 Stunden dauerte.

Als Individuum ist es schwer, gegen diese Bewegung anzukämpfen. Sich einfach mal aus der Hektik „abzumelden“ ist gegen den Trend und macht einen schnell zum Sonderling. Es gibt aber einige einfache Tipps und Empfehlungen, wie man mit der Rastlosigkeit umgeht, zum Beispiel:

  • indem man ein gutes Buch liest und zwar auf dem Sofa mit wahlweise einem Tee oder einem Glas Wein und dem Handy in sicherer Entfernung;
  • indem man im Büro nur alle drei bis vier Stunden ein Zeitfenster von vielleicht 15 Minuten einräumt, um E-Mails zu überprüfen, zu lesen und zu beantworten;
  • Sabbaticals und Auszeiten sind bei neuen Arbeitsplätzen zunehmend beliebt;
  • indem man die wachsenden Bewegungen wie Slow Food, Slow Cities und andere Tendenzen wie z.B. Slow Travel, Slow Money oder Slow Living kennenlernt und für sich ausprobiert.

Es muss also nicht sein, dass wir der immerwährenden Beschleunigung unser Tribut zahlen, nehmen Sie sich die Zeit, einmal darüber nachzudenken, wieviel Zeit Sie sich nehmen wollen. Die Zeit gehört zwar niemanden, aber es ist doch „Ihre Zeit“?!

Herzliche Grüße,

Natascha Freund

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Quelle: Der Spiegel 2014

Selbstachtung

Liebe Leserinnen und Leser,

die Ferien (zumindest die Schulferien) sind vorbei. Unseren Kindern wird gesagt, dass nun wieder der „Ernst des Lebens“ angesagt ist. Deshalb finden Sie im September-Newsletter wieder gehaltvolle Kost – es geht um das Thema Selbstwert.

Selbstachtung

Selbstachtung – was ist das eigentlich? Ist es das Urteil, das wir über uns als Person fällen? Drücken wir damit aus, was wir von uns selbst halten? Dann ist es wohl ein rein subjektives Empfinden, das für jeden Menschen ganz unterschiedlich ausfällt?!

Was macht Selbstachtung aus?

Die Psychotherapeuten André und Lelord vertreten die Ansicht, dass folgende drei Dinge Selbstachtung ausmachen:

◾Selbstvertrauen,

◾die Sicht auf das eigene Ich und

◾die Selbstliebe.

Die Selbstliebe wird von den Therapeuten als das wichtigste der genannten Elemente eingeschätzt. Sie gehen davon aus, dass die Anerkennung, die man sich selbst gibt, unabhängig von der eigenen Leistung ist. Man hält sozusagen sich selbst die Treue.

Bei der Sicht auf das eigene Ich, geht es darum, wie man die eigenen Stärken und Schwächen bewertet.

Selbstvertrauen ist das Vertrauen auf sich selbst und aus eigener Kraft zu handeln und die Kontrolle über schwierige Situationen gewinnen zu können.

Die beiden Therapeuten gehen davon aus, dass alle drei Komponenten wie ein Grundstein in der Kindheit gelegt werden. Diesem Ansatz möchte ich dem Grunde nach nicht widersprechen, ich gebe jedoch zu bedenken, dass unsere Eltern weder im Positiven noch im Negativen stets verantwortlich gemacht werden können. Wie auch immer die Botschaften unserer Eltern bzw. Bezugspersonen gefärbt waren, wohlwollend oder ablehnend, wir nahmen sie in uns auf und sie wurden zu Grundüberzeugungen (Glaubenssätze oder Beliefs). Weil es sich um Meinungen über uns handelt, von Personen die für uns wichtig waren, glauben wir gerne daran. Das heißt aber nicht, dass dies das letzte Urteil ist. Man kann auch als Erwachsener noch lernen, sich selbst zu mögen und sich selbst die Anerkennung zu geben, die man verdient.

Die Psychotherapeutin Melanie J. V. Fennell geht davon aus, dass selbstwertstarke Menschen, also Menschen mit einem positiven Bild von sich selbst, wissen, dass sie über bestimmte Fähigkeiten verfügen. Sie trauen sich zu, Neues zu lernen und Herausforderungen zu bewältigen. Sie sind auch davon überzeugt, dass sie in einigen Bereichen Ihres Lebens etwas richtig gut können. Selbstwertstarke Menschen besitzen eine hohe Frustrationstoleranz und starkes Durchhaltevermögen und lassen sich daher von Misserfolgen und Fehlern nicht so schnell aus der Bahn werfen. Selbstwertstarke Personen trauen sich, Dinge in die Hand zu nehmen und zu handeln, sind sie zumeist erfolgreicher und damit wird wiederum das Selbstwertgefühl gesteigert.

Das Gegenteil von selbstwertstarken Menschen sind Menschen mit geringer Selbstachtung.

Selbstwertschwache Personen kritisieren sich selbst oft und viel. Ihr Fokus liegt vorwiegend auf ihren Unzulänglichkeiten. Eigene Bedürfnisse können nur schwer geäußert werden. Schuldgefühle ebenso wie Frustration und Wut stehen bei diesen Menschen oft im Vordergrund. In Kontakt mit anderen Menschen, sind selbstwertschwache Personen häufig befangen. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Menschen im Berufsleben Herausforderungen eher meiden. Manche von ihnen leisten weniger, als sie könnten; andere hingegen neigen zum Perfektionismus, aus Angst vor Versagen. Sie hoffen, mit ihrem übermäßigen Einsatz Kritik und Misserfolge abzuwenden. In der Freizeit werden Aktivitäten, bei denen sie beurteilt werden können, wie beispielsweise Sportwettkämpfe, gemieden.

Was kann man tun, um den Selbstwert zu steigern?

Die Psychotherapeutin Friederike Potreck-Rose nennt hierzu folgende Möglichkeiten:

  1. Erkennen Sie sich selbst: Fragen Sie sich einmal selbst „wer bin ich?“ in folgenden Bereichen: Partnerschaft, Kinder, Freundschaften, Hobbies. Ist das Selbstwertgefühl in einem Bereich gering, kann man seine Aufmerksamkeit auf die anderen, positiveren Bereiche lenken. Dies ist umso leichter, je mehr Rollen und Interessen Sie besitzen. Stärken Sie Ihre Stärken!
  2. Vergleichen Sie sich: Vergleichen Sie sich nicht auch manchmal mit anderen Menschen? Was ist die Norm, die wir als Bezugsgröße wählen? Wer bestimmt das Maß, die Einheit? Wohl Sie selbst, oder? Sie können sich stets mit Menschen vergleichen, die besser sind als Sie. Sie können sich auch an Normen orientieren, die sehr streng sind. Ist es nicht vielleicht günstiger die Latte niedriger anzulegen und sich mit Menschen zu vergleichen, die uns ein klein wenig unterlegen sind? Wählen Sie keine unrealistischen Normen und vergleichen Sie sich nicht mit Menschen, die Ihnen überlegen sind. Chronische Überforderung, Selbstzweifel und Unzufriedenheit können die Folge sein.
  3. Immun sein gegen Zweifel und Angriffe: Überdenken Sie doch einmal Kriterien, nach denen Sie Ihre eigenen Erfolge oder Misserfolge bewerten. Beruflicher Erfolg lässt sich beispielsweise am Kriterium der Gehaltshöhe festmachen, man kann aber auch besonderes Gewicht auf den inhaltlichen Wert der Tätigkeit legen. Wählen Sie keine Erfolgskriterien, die Sie nicht erreichen können und ziehen Sie daraus vor allem keine verallgemeinernde Schlussfolgerung wie beispielsweise „mir gelingt nichts“. Wer sich selbst achtet und anerkennt, reagiert dagegen flexibel. Kann er ein Kriterium nicht erfüllen, konzentriert er sich eben auf ein anderes: „zwar nicht viel Gehalt, aber dafür ist meine Arbeit sinnvoll“.
  4. Erfolg:Was ist Erfolg? Die Definition obliegt Ihnen. Ein Tipp – definieren Sie Erfolg weit. Erfolgserlebnisse können bestandene Prüfungen, Beförderungen oder auch Gehaltserhöhungen sein. Erfolge können aber auch alltägliche Dinge sein, wie beispielsweise Ordnung zu halten oder den eigenen Vorstellungen hinsichtlich Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gerecht zu werden.

Wer allerdings zu sehr von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt ist, kann durch den zur Schau getragenen Stolz andere abschrecken. Menschen, die sich nicht besonders mögen, sind manchmal beliebter, weil sie bescheidener wirken, obwohl sie das selbst oft nicht glauben. Die Psychotherapeuten André und Lelord bescheinigen selbstwertschwachen Personen eine besondere Fähigkeit zu Empathie. Weil diese Menschen oft aus Angst anzuecken, viel Aufmerksamkeit auf ihre Mitmenschen richten, sind sie darin geübt, sich in die Gedanken und Gefühle der anderen hineinzuversetzen.

Es ist schön, wenn Sie an sich arbeiten wollen, aber kritisieren Sie sich nicht zu viel. Vertrauen Sie auf sich und der Tatsache, dass Sie gut sind, wie Sie sind.

Ich wünsche Ihnen, wie immer viel Spaß mit den gewonnenen Erkenntnissen und gebe Ihnen vorab schon mit – seien Sie nicht allzu streng zu sich selbst. Sie sind es, der über Sie urteilt…

Herzliche Grüße, Natascha Freund

Quelle: Psychologie heute kompakt, 2013

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Ich wünsche dir Zeit!

Liebe Leserinnen und Leser,

Zeit scheint heutzutage ein knappes Gut zu sein, etwas sehr Kostbares. Im Newsletter von August darf ich Ihnen ein Gedicht von Elli Michler mit dem Titel „Ich wünsche dir Zeit“ – nachzulesen unter www.ellimichler.de – zum Nachdenken, als Anregung oder einfach nur so vorstellen.

Viel Spaß und auch Erfolg beim „Zeit haben“.

Herzliche Grüße,

Natascha Freund

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Eine Geschichte zum Nachdenken

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist Sommerzeit und auch Ferienzeit und vielleicht ergibt sich damit auch Zeit für Geschichten zum Selbstlesen, zum Vorlesen oder Vorlesen lassen oder einfach zum Nachdenken.

Nachstehend finden Sie eine Geschichte, die anregt, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und Dinge, die man nicht ändern kann, anzunehmen:

Fathima, die wunderschöne Tochter des Sultans Achmet, war15 Jahre alt , als ihre ergraute Kinderfrau, die neben ihr auf dem rotsamtenen Diwan saß und feine Spitzen um ein Seidentaschentuch häkelte, ihr eine Geschichte erzählte, die sie nie vergessen sollte: denn es war eine geheimnisvolle Geschichte von unerfüllbaren Wünschen, von Ohnmacht und Hilflosigkeit und von der Weisheit, die darin besteht, Unerreichbares loszulassen. Kurz: Es war eine Geschichte über das Leben.

In alten, grauen Zeiten, lange bevor Achmet Sultan im Morgenland wurde, bekommen seine Vorfahren Mechmet und Leila zu ihrer Hochzeit eine wundervolle Vase geschenkt. Die Vase ist von auserlesener Schönheit. Über einem breiten, goldenen Fuß rankt sie sieh leicht und schlank empor, formt zu beiden Seiten zwei geschwungene Henkel und schließt sich zuletzt in einem vollkommenen Kreis um die kleine Öffnung. Beide Seiten der Vase sind mit Gold/ Blau und Purpurrot bemalt/ aber mit so unterschiedlichen Mustern, dass sie einander ähneln und doch grundverschieden sind. Mit der Vase ist ein Auftrag verbunden: Die Besitzer sollen sie jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf den Felsen über dem Fluss stellen, damit sie sich am Tage mit dem Licht und der Wärme füllen und nachts das junge Paar mit ihrem Inhalt erfreuen könne. Einige Jahre führen Mechmet und Leila ein glückliches, Iicht- und wärme erfülltes Leben, dem auch ein Kind entspringt: ihre Tochter Lucia.

Dann/eines Abends, geraten Mechmet und Leila in Streit darüber, wer heute die Vase vom Felsen holen solle. Jeder von beiden behauptet, der andere sei dran/jeder behauptet, er habe Recht und es sei die Schuld des anderen, wenn der Vase nachts etwas widerfahre. Wütend schlafen beide ein. Das zischende Geräusch eines grellen Blitzes und ein furchtbares Donnergrollen weckt sie mitten in der Nacht. Sie wissen beide, was das bedeutet. Als sie ins Dunkel hinaus hasten und zu dem Felsen kommen, auf dem die Vase stand, liegt dort nur noch eine Hälfte. Der Blitz hat das edle Gefäß gespalten. Sosehr sie auch suchen, die andere Hälfte bleibt verschwunden, sie muss hinunter in den Fluss gefallen sein. Aber auch die Suche im Flussbett während der nächsten Tage und Wochen bleibt  vergeblich. Leila weint bitterlich, und Mechmet schweigt mit zusammengepressten Lippen. Sie beginnen sich darüber zu streiten, was mit der übrigen Hälfte geschehen solle. Mechmet findet sie zu nichts mehr nutze und wirft sie eines Tages, als er sich von Leila unbeobachtet glaubt, weg, aber Leila hat es gesehen, sie holt die Vasenhälfte, die sie an Zeiten der Wärme und Liebe erinnert, heimlich zurück und versteckt sie in ihrer Truhe.

Jahrelang spricht niemand mehr von der Vase. Mechmet beginnt ein neues Leben mit viel Arbeit, Leila ist oft still und traurig, und Lucia wächst heran. Kurz vor Lucias siebentem Geburtstag fällt Leila ein, dass sie in der großen, alten Truhe ein wertvolles Goldstück aufbewahrt/und sie beschließt, ihrer Tochter davon etwas Besonderes zum Geburtstag zu kaufen. Zum ersten Mal nach Jahren öffnet sie die Truhe und findet neben dem Goldstück die fast vergessene Vasenhälfte. Lucia hat der Mutter beim Suchen zugeschaut, beginnt nun zu fragen und erfährt die Geschichte der Vase.

Da sie mutig und neugierig ist, läuft sie sogleich zum Fluss, zieht Schuhe und Strümpfe aus, watet ins seichte Wasser und spürt nach wenigen Schritten unter ihren Füßen etwas Hartes. Als sie es vorsichtig ausgräbt, ist es der andere Teil der Vase. Freudig erregt läuft sie damit zu ihrer Mutter. Beim Anblick der verloren geglaubten Hälfte durchläuft Leila ein warmer Schauer des Erinnerns. Geschäftig beginnt sie, sie vom Sand und Schlick des Flusses zu befreien. Lucia spürt die hoffnungsfrohe Aufregung der Mutter. Schließlich hält Leila die beiden Hälften aneinander. Da erst sieht sie, wie verschieden sie voneinander geworden Sind. Die Hälfte, die sieben Jahre im Wasser gelegen hat, zeigt nur noch blasse Blau-, Gold- und Purpurspuren, Kies und Sand haben die Bruchstellen abgeschliffen und manche Kerbe ins Porzellan geschlagen. Da wird Leila voll Trauer gewahr, dass die beiden Hälften nicht mehr zusammenpassen. Sie befiehlt ihrer Dienerin, unverzüglich beide Teile wegzuwerfen. Lucia folgt der Magd und überredet sie, ihr die Hälften, wie sie sagt, »zum Spielen« zu überlassen.

In Wahrheit aber hat Lucia beschlossen, die zerbrochene Vase um jeden Preis wieder ganz zu machen. Freude und Traurigkeit ihrer Mutter haben ihr gezeigt, wie wichtig die Vase für Leila sein muss.

Weil Lucia ihre Mutter über alles  liebt, versucht sie in den kommenden Wochen heimlich, Nacht für Nacht, die Vase zusammenzufügen: Jedoch, was immer Lucia auch verwendet, um die beiden Teile wieder miteinander zu verbinden – Kleber, Kitt, Ton, ja sogar in Honig gelösten Muschelkalk-, am Morgen liegen sie wieder getrennt nebeneinander. Lucia, die sieht, wie ihre Mutter wieder in die alte Traurigkeit verfällt, gibt nicht  auf. Sie schläft kaum noch probiert nachts eine Klebstoffmischung nach der anderen aus und ist fest davon überzeugt, dass es einzig an ihrer Unfähigkeit liegt, dass die Vase nicht zusammenhält. Weil sie nachts arbeitet, schläft sie Oft am Tag und spielt immer seltener mit ihren Freunden.

Eines Tages weckt sie ihr Freund Gülhan um drei Uhr mittags und schimpft: »Mit dir ist ja gar nichts mehr anzufangen, du bist echt langweilig.« Weil er Lucia gern mag, fügt er, mit beiden Händen in seine prallen Taschen greifend, hinzu: »Ich habe dir viele Haselnüsse und Walnüsse mitgebracht. In der letzten Nacht war ein großer Sturm. Ich habe gesehen, wie die Walnussbäume und die Haselnussbäume sich mächtig wehrten und ihre Kronen schüttelten, weil sie ihre Nüsschen nicht loslassen wollten, und ich habe gehört, wie der Sturm heulte: >Lass los, lass los, lass los.< Das war ein gewaltiger Kampf, und der Sturm hat gewonnen. Heute Morgen lagen unendlich viele Nüsse unter den Bäumen, denn sie sind reif, und im nächsten Jahr können wieder neue wachsen. Gib mir zwei Schalen, liebe Lucia, damit ich die Haselnüsse in die eine und die Walnüsse in die andere legen kann.« Während Lucia im Schrankvergeblich nach zwei Schalen sucht, hat Gülhan längst die beiden Hälften der Vase entdeckt und sie mit den Nüssen gefüllt. Als Lucia das sieht, will sie zuerst laut schimpfen, aber dann gefällt ihr die braune Pracht der Waldfrüchte in den kostbaren Gefäßen, und sie holt einen Nussknacker.

»Und wie ging das weiter?« wollte Fathima wissen, als ihre alte Kinderfrau die Geschichte beendet hatte. »Oh«, sagte diese, »Lucia hat in ihrem Leben noch viele Schalen mit Früchten gefüllt, manche mit Brombeeren, andere mit Weintrauben, wieder andere mit Pilzen, mit Eicheln oder mit Sonnenblumenkernen.«

Viel Freude beim Vermehren der gewonnenen Erkenntnisse wünscht

Natascha Freund

Quelle: Spangenberg 1996, S.16-19

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