Schlagwort: Liebe (Seite 1 von 2)

Irvin D. Yalom

Heute möchte ich Ihnen eine wahre Geschichte anbieten, die mich sehr berührt hat:

Kennen Sie vielleicht eines oder mehrere der folgenden Werke?

  • Und Nietzsche weinte
  • Die rote Couch
  • Liebe, Hoffnung, Psychotherapie
  • Wie man wird, was man ist: Memoiren eines Psychotherapeuten

Es ist eine kleine Auswahl der Bücher von Irvin D. Yalom, einem der Mitbegründer der existentiellen Psychotherapie. Vor kurzem ist sein neuestes Buch erschienen – es heißt „Unzertrennlich: Über den Tod und das Leben“. So weit, so gut. Dass Psychotherapeuten auch im hohen Alter (Yalom wird im Juni 90 Jahre alt) Bücher schreiben, ist nichts Außergewöhnliches und auch die Auseinandersetzung mit dem Tod ist ein wichtiges und häufiges Thema in diesem Bereich.

Was das Buch so berührend und reizvoll-ungewöhnlich macht ist, dass er es mit seiner Frau gemeinsam geschrieben hat und sie dieses Projekt gemeinsam begonnen haben, als beide wussten, dass sie sterben wird, bevor das Werk vollendet sein wird. So kam es dann auch und Yalom musste oder durfte, je nachdem wie man es sehen mag, das Buch alleine zu Ende schreiben.

Seine Frau Marilyn, eine hoch angesehene Wissenschaftlerin in Bereich der Geschlechterforschung, schlug ihrem Mann nach fast 65 Jahren Ehe vor, dieses Experiment – wissend um ihre Krankheit – zu wagen, abwechselnd ein Kapitel zu schreiben über das Zusammensein und auch das nahende Ende des gemeinsamen Weges. Entstanden ist ein Buch mit Überlegungen eines Paares, das über 65 Jahre verheiratet ist / war und Einblick gibt in die Denkweisen von zwei Menschen, die sich darauf vorbereiten, dass der Tod sie scheidet. Beschrieben werden die Gedanken und Gefühle, die jeder zunächst in den eigenen Kapiteln ausdrückt mit dem Fokus auf das, was sie bewegt – Marilyn mit den Gedanken bei Therapien und den Weg in den Tod durch begleiteten Suizid; Irvin in Überlegungen zu seiner Kraft, seine Frau vom Sterben abzuhalten, aber auch mit kritischen Gedanken zu seiner Arbeit, weil er zum ersten Mal in der Trauer das empfindet, was seine Klienten z.B. in der Gruppentherapie von Todkranken empfinden, die er betreut, ohne zu wissen, wie tief diese Empfindungen sind, wenn sie einen selbst betreffen.

Als seine Frau im Herbst 2019 stirbt, setzt Yalom das Schreiben fort und vollendet das Buch. In der Buchbesprechung im Spiegel (Nr. 19/2021) gibt es dafür ein besonders schönes Schlusswort: „Aus seiner jahrzehntelangen Arbeit weiß er, dass ein Leben, in dem man viele Lebenswünsche verwirklichen konnte, hilft, dem Tod friedlicher zu begegnen. Er weiß, dass eine gute Ehe dem Partner, der zurückbleibt, das Loslassen einfacher macht. Trotz alledem träumt Irvin Yalom davon, in einem Sarg mit seiner Frau Marilyn zu liegen.“

Wenn ich das lese, dann denke ich an manche Paare, die ich in meiner Praxis begleiten darf und die den gemeinsamen Weg suchen, um ihn zu gehen. Und ich glaube, in der Realisierung der Lebenswünsche in Gesundheit, Liebe und Harmonie liegt einer der Schlüssel für eine glückliche gemeinsame Zeit im Alter.

Beziehung – kann doch jeder…?!

Können Sie gut kochen? Und wie sieht es mit Ihren sportlichen Fähigkeiten aus? Eher gut oder mäßig? Haben Sie Talente beim Handwerken? Und manchmal wird auch gefragt: „Kann er/sie Kanzler?“

Bei all diesen Fragen, haben sie sicher eine Antwort von „eher schlecht“ über „mittel“ bis „wirklich gut“. Und nun folgende Frage:…„Können Sie Beziehung?“ Vielleicht wundern Sie sich über die Frage, weil Sie meinen, dass „Beziehung können“ doch keine Fähigkeit ist. Vielleicht doch, denn bei einer Scheidungsrate von knapp 50% bedeutet das doch wohl, dass diese Menschen es „nicht können“ – zumindest nicht mit dem konkreten Partner / der Partnerin.

Muss man denn Beziehung lernen? Ich denke ja, denn als Single treffen Sie alle Entscheidungen allein und tragen auch alle Konsequenzen selbst. In einer Beziehung kann man das auch machen, aber es betrifft den Partner / die Partnerin vielleicht auch.

Menschen, die gute Beziehungen haben, bringen Fähigkeiten, Eigenschaften ein, die eine Beziehung „erfolgreich“ machen im Sinne von stabil, erfüllend oder bereichernd.

Ich lade Sie ein, sich ein paar Gedanken zum Thema zu machen und sich einigen Fragen zu stellen, z.B.:

  • Was erwarte ich mir von meinem Partner / meiner Partnerin?
  • Wohin soll unsere Beziehung steuern?
  • Welche Grenzen sind mir wichtig? Wieviel Nähe brauche ich oder kann ich zulassen?

Es macht auch Sinn, diese Fragen gemeinsam zu besprechen, sich auszutauschen und dort, wo Unterschiede bestehen zu fragen, woher diese kommen? Wie haben wir bestimmte „Beziehungssituationen“ in unserer Ursprungsfamilie erlebt und was hat das mit uns gemacht?

Ob man Beziehung „kann“ oder wie gut, hängt von vielen Faktoren ab, und Paare sollte in schlechten und noch viel mehr auch in guten Zeiten darüber nachdenken, was ihre Beziehung gut macht und was sie dazu beitragen können, dass es so bleibt.

Sie kennen ja mein Motto …“Liebe ist Arbeit – vermutlich die Schönste der Welt“

Liebe ist Arbeit…

Wenn sich ein Paar in guten Tagen auf die Gefahren der Trennung vorbereitet, müssen sich beide von einer Illusion verabschieden…auch wenn Sie sich ewige Treue schwören – wir alle wissen nicht was kommt. Daher ist die GEMEINSAME Arbeit an der Beziehung so wichtig.

Warum Paare zusammenbleiben

Kommt Ihnen das bekannt vor? Sehen Sie manchmal Paare und wundern sich, warum dieses Paar zusammen ist bzw. hören Sie manchmal von Paaren in ihrem Bekanntenkreis die sich getrennt haben und fragen sich, wie konnte das geschehen? Und dann gibt es da noch die Menschen, die auf der Suche nach der Partnerschaften, die ein Leben lang hält. Gibt es das?

Aus Einzelfällen ergibt sich nicht immer ein komplettes Bild, aber die Wissenschaft hat auf diese Fragen inzwischen einige Antworten gefunden. Seit über zehn Jahren arbeiten Wissenschaftler mehrerer deutscher Universitäten an der sogenannten Pairfam-Studie und erheben Daten zur Gestaltung von Partnerschaft und Familie. Einige wichtige Erkenntnisse konnten dabei gewonnen werden (zitiert nach Christine Finn von der Universität Jena, in Der Standard vom 18.2.2018):

·       Paare, die sich einig sind, entwickeln sich synchron und „schaukeln sich nach und nach ein“; das ist ein Faktor für den langfristigen Zusammenhalt einer Partnerschaft

·       Ein niedriges Selbstwertgefühl eines Partners führt häufig zur Depressivität einer Person; ein Partner mit einem größeren Selbstwertgefühl aber kann durchaus eine positive Wirkung auf sie haben und das höhere Risiko, an einer Depression zu erkranken, abpuffern

·       die Wahrnehmung der Bedürfnisse des Einzelnen innerhalb einer Beziehung ist entscheidend für den Verlauf des gemeinsamen Weges: „Wenn aber hier ein Ungleichgewicht vorliegt und jemand das Gefühl hat, er komme zu kurz, dann wird das höchstwahrscheinlich nicht lange funktionieren.“ so Christine Finn

Sie haben vielleicht im Verlauf Ihrer Geschichte gelernt, dass es wichtig ist, auf die Bedürfnisse des Partners zu achten, wenn eine Partnerschaft funktionieren soll. Das ist zweifellos richtig, genauso wichtig und richtig ist es aber, wenn man in einer Partnerschaft auf seine eigenen Bedürfnisse achtet. Der Partner oder die Partnerin kann und soll einen viel geben, aber ein anderer Mensch kann einem nicht alles geben. Manchmal braucht es Zeit für sich selbst, Kontemplation, Eigenständigkeit im Denken und Handeln. Und all das, kann man wiederum in die gemeinsame Zeit und die gemeinsame Partnerschaft einbringen.

Vielleicht ist es ein bisschen so wie im Lied „Kreise“ von Johannes Oerding:

Ey, wenn sich alles in Kreisen bewegt
Dann gehst du links, dann geh‘ ich rechts
Und irgendwann kreuzt sich der Weg
Wenn wir uns wieder sehen

Und für die zukünftige Forschung sind die Psychologen nun auf das Partnerschaftsverhalten der Millenials und den Einfluss des Internet auf Paare und Partnerschaften gespannt.

 

Eine Stunde Zeit mit Papa…

Wenn dich jemand liebt, heißt das, dass du einen Teil seines Lebens, seiner Zeit und seiner Aufmerksamkeit einnimmst.

Die folgende Geschichte, die im Internet kursiert, bringt, so scheint mir, ganz gut zum Ausdruck, was ich sagen will:

Eines Nachts, als alle im Haus tief und fest schlafen, steht der fünfjährige Ernesto aus seinem Bett auf und tapst zum Zimmer seiner Eltern. Er bleibt neben dem Bett seines Vaters stehen und zupft an der Decke, bis er wach wird.

„Was verdienst du eigentlich, Papa?“, fragt er.

„Hä? Was …?“, stammelt der Vater schlaftrunken.

„Was du auf der Arbeit verdienst.“

„Kind, es ist zwölf Uhr nachts. Geh schlafen.“

„Ja, Papa, ich geh ja schon, aber was verdienst du denn jetzt?“

Der Vater setzt sich im Bett auf und schimpft leise vor sich hin:

„Du gehst jetzt auf der Stelle ins Bett! Das sind keine Themen, die dich was angehen. Und schon gar nicht um Mitternacht!“ Damit weist er zur Tür.

Ernesto lässt den Kopf hängen und geht wieder in sein Zimmer.

Am nächsten Morgen überlegt der Vater, dass er zu streng zu Ernesto gewesen ist und man ihm seine Neugier nicht zum Vorwurf machen kann. Um das Ganze wiedergutzumachen, sagt der Vater beim Abendessen zu dem Kleinen:

„Was deine Frage von heute Nacht angeht: Ich bekomme 2800 Pesos Gehalt, aber nach Abzug der Steuern bleiben 2200 übrig.“

„Hui! Das ist aber viel, Papa!“, antwortet Ernesto.

„So viel ist das gar nicht, mein Sohn. Die Ausgaben sind hoch.“

„Aber du arbeitest viel.“

„Ja, sehr viel.“

„Wie viele Stunden?“

„Den ganzen Tag, mein Sohn.“

„Ah.“ Der Sohn nickt und setzt dann hinzu: „Dann hast du viel Geld, oder?“

„Schluss jetzt mit der Fragerei. Du bist zu klein, um über Geld zu reden.“

Es wird still im Wohnzimmer, und alle gehen schweigend ins Bett. In dieser Nacht werden die Eltern erneut von Ernesto aus dem Schlaf gerissen. Diesmal hat er ein Blatt Papier mit darauf gekritzelten Zahlen in der Hand.

„Papa, kannst du mir fünf Pesos leihen?“

„Ernesto, es ist zwei Uhr nachts!“, schimpft der Vater.

„Ja, aber könntest du …?“

Der Vater lässt ihn nicht ausreden:

„Deshalb fragst du dauernd nach dem Geld, du Rotzbengel! Geh auf der Stelle ins Bett, bevor ich dir den Pantoffel um die Ohren haue! Raus hier! Ab ins Bett, los.“

Und wieder, diesmal schluchzend, tapst Ernesto zur Tür.

Eine halbe Stunde später geht der Vater zu seinem Sohn ins Zimmer, vielleicht, weil er gemerkt hat, dass er zu weit gegangen ist, vielleicht auf Vermittlung der Mutter oder ganz einfach, weil ihn die Schuldgefühle am Einschlafen hindern. Von der Tür aus hört er leises Schluchzen.

Der Vater setzt sich zu seinem Sohn auf die Bettkante und sagt:

„Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe, Ernesto. Aber es ist zwei Uhr nachts, alle schlafen, die Geschäfte haben geschlossen … Hätte das nicht Zeit bis morgen gehabt?“

„Doch, Papa“, antwortet der Junge schniefend.

Der Vater holt sein Portemonnaie und nimmt einen Fünf-Peso-Schein heraus. Er legt ihn auf den Nachttisch und sagt:

„Hier hast du das Geld, um das du mich gebeten hast.“

Der Junge wischt sich die Tränen am Bettlaken ab, klettert aus dem Bett und läuft zum Kleiderschrank. Er nimmt eine Dose heraus, fischt ein paar Münzen und Ein-Peso-Scheine heraus, tut die fünf Pesos dazu und zählt mit den Fingern ab, wie viel Geld er hat.

Dann nimmt er das Geld und legt es neben seinen Vater, der ihn lächelnd ansieht, aufs Bett.

„Jetzt reicht es“, sagt Ernesto. „Neun Pesos und fünfzig Centavos.“

„Sehr schön, mein Junge. Und was machst du mit dem Geld?“

„Verkaufst du mir eine Stunde von deiner Zeit, Papa?“

 

Quelle: Das Buch der Begegnung von Jorge Bucay

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